Landwirtschaftliche Nutztierhaltung – © pixabay.com
Die Nutztierhaltung steht seit einigen Jahren im Zentrum gesellschaftlicher Diskussionen, und das nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Immer mehr Menschen hinterfragen die Bedingungen, unter denen Schweine, Rinder, Puten und Co. gehalten werden. Gleichzeitig gibt es erhebliche Bedenken bezüglich Umwelt- und Klimaschutz. Auch wenn die Mehrheit der Menschen nach wie vor Fleisch, Eier und Milch konsumiert und die Nutzung von Tieren für die Lebensmittelproduktion akzeptiert, fordern sie verstärkt, dass den Tieren ein „gutes Leben“ ermöglicht wird – ein Leben, das auch ethisch vertretbare Transport- und Schlachtbedingungen einschließt.
Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage: Wie kann die Landwirtschaft auf diese gesellschaftlichen Anforderungen reagieren? Eine zentrale Antwort liegt in der Wahl geeigneter Kommunikationsstrategien. Gemeinsam mit Dr. Winnie Sonntag, Dr. Marie von Meyer-Höfer und Prof. Dr. Achim Spiller habe ich in dem wissenschaftlichen Beitrag „Im Streit um die Nutztierhaltung: Gesellschaftsorientierte Kommunikationsstrategien für die Agrar- und Ernährungswirtschaft“ untersucht, welche Kommunikationswege Landwirte und die Agrarbranche einschlagen können, um die öffentliche Diskussion zu gestalten und die Akzeptanz für ihre Praktiken zu verbessern. In diesem Blog-Beitrag für AgrarKommunikation.de möchte ich Ihnen eine Zusammenfassung des Artikels und eine Einführung in das Thema geben.
Wertewandel und wachsender gesellschaftlicher Druck
Immer mehr Studien zeigen, dass sich die Mensch-Tier-Beziehung in den letzten Jahren stark gewandelt hat. Viele Menschen wünschen sich, dass Tiere nicht nur effizient und produktiv gehalten werden, sondern dass ihre natürlichen Bedürfnisse stärker berücksichtigt werden.
Diese Entwicklung ist besonders in Deutschland und anderen nordwesteuropäischen Ländern spürbar. Gleichzeitig gibt es eine breite Akzeptanz des Fleischkonsums, jedoch wird dieser zunehmend an höhere ethische Standards geknüpft. Es entsteht der Wunsch nach einem „fairen Deal“ mit den Tieren, bei dem sie artgerecht gehalten werden und ihr Wohl im Mittelpunkt steht. Wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden, gerät die Legitimität der Nutztierhaltung ins Wanken.
Kommunikationslücke: Wie sollen wir kommunizieren?
Obwohl die Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft immer wieder in der Kritik stehen, gibt es erstaunlich wenig Forschung darüber, welche Kommunikationsstrategien unter welchen Bedingungen erfolgreich sind. Viele Akteure versuchen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, ohne eine klare Strategie zu haben, die auf langfristige Akzeptanz abzielt.
Hier setzt der wissenschaftliche Artikel an und bietet eine umfassende Systematisierung von Kommunikationsstrategien, die in der Agrarwirtschaft angewendet werden können. Er zeigt praxisnahe Wege auf, wie Landwirte, Unternehmen und Verbände auf die Kritik reagieren und ihre Arbeit der Gesellschaft erklären können.
Strategien für erfolgreiche Kommunikation
Der Beitrag unterscheidet zwischen verschiedenen Arten der Kommunikation, die Unternehmen und Landwirte nutzen können. Diese reichen von reaktiven über offensive bis hin zu aktiven und dialogorientierten Ansätzen.
1. Reaktive Strategien
Hier reagieren Unternehmen auf Kritik, anstatt proaktiv zu kommunizieren. Dies kann durch Schweigen oder das Leugnen von Problemen geschehen. Ein Beispiel wäre die Verteidigung der eigenen Position, indem man darauf hinweist, dass Nutztierhaltung in Deutschland bereits auf hohem Niveau stattfindet.
2. Offensive Ansätze
Hierzu zählen Gegenangriffe auf Kritiker. Diese Strategie kann riskant sein, wenn Journalisten, NGOs oder sogar Verbraucher direkt angegriffen werden, da dies oft zu Gegenreaktionen führen kann.
3. Aktive, asymmetrische Kommunikation
Dieser Ansatz beinhaltet Informationskampagnen, bei denen versucht wird, der Öffentlichkeit mehr Wissen über die Nutztierhaltung zu vermitteln. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass man lediglich Fakten vermittelt, ohne auf ethische Werte oder gesellschaftliche Bedenken einzugehen.
4. Dialogorientierte Kommunikation
Dies wird als der erfolgversprechendste Ansatz beschrieben. Hier geht es darum, in einen echten Dialog mit der Gesellschaft zu treten und auf die Kritik der Bürger einzugehen. Transparenz spielt eine Schlüsselrolle, etwa durch Tage der offenen Tür, Besucherfenster in Ställen oder durch die Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Partnern wie NGOs.
Vertrauensaufbau und ethische Werte – der Schlüssel zum Erfolg
Der Beitrag unterstreicht, dass eine der wichtigsten Aufgaben für die Landwirtschaft darin besteht, Vertrauen aufzubauen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Skandale in der Fleischindustrie, die das öffentliche Vertrauen erschüttert haben. Um dies wiederherzustellen, bedarf es Transparenz und Offenheit.
Vertrauensbildende Maßnahmen, wie etwa die Zusammenarbeit mit NGOs oder die Präsentation der eigenen Arbeit durch transparente Produktionsprozesse, tragen dazu bei, das Image der Branche zu verbessern. Dabei sollte jedoch nicht nur auf technische Fakten gesetzt werden. Vielmehr sollten auch ethische Fragen thematisiert und in den Dialog mit der Gesellschaft eingebunden werden.
Wicked Problems – die Herausforderung der Nutztierhaltung
Die Debatte um die Nutztierhaltung ist ein sogenanntes „wicked problem“ – ein komplexes Problem, das keine einfachen Lösungen hat. Verschiedene gesellschaftliche Gruppen haben unterschiedliche, oft widersprüchliche Erwartungen an die Landwirtschaft. Deshalb ist es umso wichtiger, Kommunikationsstrategien zu entwickeln, die diese Komplexität berücksichtigen.
Statt zu versuchen, das Problem auf technischer Ebene zu lösen, empfiehlt der Artikel, stärker auf Werte und Dialog zu setzen. Denn letztlich geht es nicht nur darum, wie Nutztiere gehalten werden, sondern auch darum, wie wir als Gesellschaft mit diesen Lebewesen umgehen wollen.
Fazit: Offenheit und Dialog als Weg in die Zukunft
Die Diskussion über die Nutztierhaltung wird nicht so schnell verschwinden. Daher müssen Landwirte und die Agrarwirtschaft Wege finden, um mit der Gesellschaft ins Gespräch zu kommen und Vertrauen aufzubauen. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung von Fakten, sondern um das Verständnis und die Berücksichtigung von Werten und ethischen Überlegungen.
Eine erfolgreiche Kommunikationsstrategie setzt auf Transparenz, Dialog und den Aufbau von Vertrauen. Nur so kann die Landwirtschaft langfristig ihre gesellschaftliche Akzeptanz bewahren und gleichzeitig den wirtschaftlichen Herausforderungen begegnen. Wer sich für den ganzen Artikel interessiert, findet ihn hier.